Am Königsbacher Gymnasium war Stefan Fulst-Blei zu Gast. Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion setzt sich für eine landesweite Einführung von G9 ein und sucht dazu aktuell den Austausch mit Schulen. In der Lokalpresse erschien dazu folgender Artikel.
Als im Frühsommer des vergangenen Jahres die E-Mail kam, freute man sich am Königsbacher Lise-Meitner-Gymnasium (LMG) sehr über ihren Inhalt. Denn er besagte, dass man die Schüler auch weiterhin in neun statt in acht Jahren zum Abitur führen darf. Aktuell ist das Königsbacher Gymnasium im Enzkreis das einzige in staatlicher Trägerschaft, das G9 im Rahmen eines sogenannten Schulversuchs anbietet. Doch das könnte sich ändern. Denn wenn es nach der SPD-Fraktion im Landtag und deren bildungspolitischen Sprecher Stefan Fulst-Blei geht, dann soll G9 bald landesweit eingeführt werden. „Der Zug ist nicht mehr aufzuhalten“, sagt Fulst-Blei, als er am Freitag das Königsbacher Gymnasium besucht, um dort mit Lehrern und Schülern über ihre Erfahrungen zu sprechen. Er berichtet von landespolitischen Entwicklungen, vom Volksantrag für ein G9-Gesetz, vom Bürgerforum und von dem großen Druck, unter dem die Landesregierung inzwischen steht. Für Fulst-Blei steht fest, dass G9 das bessere Modell ist. „Kinder brauchen Zeit zum Lernen, Jugendliche brauchen Zeit zur Entwicklung“, sagt er und erklärt, G9-Schulen sei es besser gelungen, die Corona-Defizite aufzuholen. Das kann Schülersprecher Matteo bestätigen. Er sagt, durch G9 sei der Druck nicht so groß. Zudem bleibe mehr Zeit für Freizeitaktivitäten und soziales Engagement, das letztlich auch eine wichtige Form von Bildung darstelle und einem viele Kompetenzen fürs spätere Leben bringe.
Einen Vorteil sieht der Schülersprecher auch darin, dass man ein Jahr älter ist, wenn man gewisse Themen behandelt. Darauf weisen im Gespräch mit Fulst-Blei auch die Lehrer hin, als sie aus ihrer täglichen Arbeit berichten. Bei G8 würden komplexe Inhalte teilweise zu früh auftauchen, sagen sie und erklären, das richtige, in die Tiefe gehende Begreifen vieler Themen setze eine gewisse Reife und geistige Entwicklung voraus. Zudem wissen sie aus ihrer täglichen Arbeit, dass Schüler auch Zeit zum Üben brauchen. „Es reicht nicht, ein Thema nur zu erklären“, heißt es von den Lehrern, die bei ihrer Arbeit manchmal den Eindruck haben, dass bei G8 die Inhalte nur abgearbeitet werden, ohne darüber nachzudenken. Tatsächlich bietet G9 den Schulen mehr Zeit. Denn neben den Poolstunden, die auch G8-Gymnasien bekommen, erhalten sie noch einige zusätzliche Stunden. In Königsbach verwendet man sie laut Direktor Hartmut Westje-Bachmann in erster Linie für zusätzlichen Unterricht in den Hauptfächern. Die Poolstunden werden dagegen zum Stärken der Klassengemeinschaft eingesetzt.
In Königsbach hat man durch G9 laut Westje-Bachmann eine gewisse „Entzerrung“ erreicht. Etwa, indem man mit der zweiten Fremdsprache erst in der siebten und mit dem Profilfach erst in der neunten Klasse beginnt. Dass durch eine Umstellung auf G9 die Gymnasien überrannt werden, befürchten die Lehrer am LMG nicht. Denn wenn es nach ihnen geht, soll sich am Bildungsstandard dadurch nichts ändern. Sie gehen davon aus, dass Schüler das Gymnasium auch künftig nicht besuchen werden, wenn sie mit dem höheren Abstraktionsgrad dort nicht zurechtkommen und keine Leistungsbereitschaft zeigen. Sorgen machen sich die Lehrer dagegen in Bezug auf die Personalgewinnung und die räumliche Ausstattung. Denn für einen zusätzlichen Jahrgang braucht man zwar nicht sofort, aber spätestens im neunten Jahr nach seiner Einführung zusätzliche Ressourcen. Für die Räume sind die Schulträger zuständig, also in der Regel die Kommunen und Landkreise.
Sie haben aktuell damit zu kämpfen, dass es nur eine Schulbaurichtlinie für G8 gibt. „Daher wird man auch als G9-Schule immer runtergerechnet auf den Raumbedarf von G8“, sagen die Königsbacher Lehrer, die zudem aus ihrer täglichen Arbeit von deutlich gestiegenen Anforderungen an Fachräume und Betreuung berichten können. Damit sprechen sie einen Punkt an, den Fulst-Blei sich notiert. Auch die beiden Schülersprecher Matteo und Tim werben für eine zeitgemäße Ausstattung der Schulen, auch in Bezug auf die Technik. Der Digitalpakt habe das Königsbacher LMG vorangebracht und dürfe deshalb keine einmalige Sache bleiben, sagt Tim: „Man könnte und müsste da mehr machen.“ Er nennt im Gespräch mit Fulst-Blei viele Punkte, die aus seiner Sicht für G9 sprechen. Etwa die bessere Klassengemeinschaft, in der man sich gegenseitig motiviere. Oder den Umstand, dass man eigene Schwächen durch mehr Zeit zum Üben eher ausgleichen könne. – Nico Roller