
Kinder für klassische Musik begeistern: Das ist das erklärte Ziel der Hanke Brothers, die für ihr Engagement in diesem Bereich schon den Opus Klassik erhalten haben. In Königsbach haben sie vor mehr als 200 Schülern gespielt.
Unkontrolliert und wild fließen die Farben durcheinander, zunächst noch sachte, dann immer aufbrausender, immer aufgeregter, bis sie sich zu einem undurchdringbaren Dickicht klanglicher Eindrücke vermischen. Auf dem Klavier hüpfen die Finger temporeich über die Tasten, von der Geige kommen stürmisch drängende Läufe, aus der Flöte dringt ein tiefes, dunkles Grollen. Nachdem die Kinder mit Händen und Füßen brausenden Wind, prasselnde Regentropfen und ein polterndes Gewitter imitiert haben, erscheint ein Dinosaurier auf der Bühne. Echt ist er zwar nicht, aber dafür vom Heimweh zerrissen. David, Lukas, Jonathan und Fabian Hanke wissen genau, was den Kindern gefällt, die in mehreren Reihen vor ihnen sitzen. Mit einer finessenreich in Szene gesetzten Imitation des Urknalls beginnt das vor rund acht Jahren gegründete Quartett am Freitagmorgen sein Konzert in der Aula des Königsbacher Lise-Meitner-Gymnasiums. Mehr als 200 Fünft- und Sechstklässler haben dort Platz genommen, um mit den „Hanke Brothers“ im Ausloten klanglicher Möglichkeiten die Vielfalt klassischer Musik zu entdecken: kindgerecht, abwechslungsreich und modern präsentiert.
„Für die Schüler ist das ein besonderes Erlebnis“, sagt Lehrerin Lena Kunzmann, die das mit dem Opus Klassik ausgezeichnete Quartett bei einem Festival selbst schon live erlebt hat und von seiner Spielfreude begeistert war. Sie stellte eine Anfrage – und war positiv überrascht, als die Zusage kam. „Ich dachte zuerst gar nicht, dass es klappen würde“, erzählt die Lehrerin, die den Termin absichtlich auf den Vormittag während der Unterrichtszeit gelegt hat, damit alle Schüler dabei sein können. Auch die der Streicherklasse, die das Königsbacher Gymnasium für Fünft- und Sechstklässler anbietet. Kunzmann gefällt das Konzept der Hanke Brothers, zu dem eine humorvolle Interaktion zwischen den Brüdern ebenso gehört wie eine rege Beteiligung der Schüler und ein kurzweiliger Gang durch die Epochen der Musikgeschichte. Auf lange Erklärungen, auf das Aufzählen von Stilmerkmalen und Komponisten verzichten die Musiker dabei ganz bewusst: Die Kinder sollen zuhören und durch das Genießen der klanglichen Vielfalt neugierig werden.
„Man muss die Menschen abholen“, sagt David Hanke: „Niemand mag es, wenn er den Eindruck hat, dass er etwas nicht versteht.“ Er und seine drei Brüder sind immer wieder an Schulen zu Gast, hauptsächlich an Grundschulen, in jüngerer Zeit auch öfter in fünften und sechsten Klassen. Ab dem Sommer starten sie ein neues Programm, das die sieben Kontinente in den Mittelpunkt rückt und sich an Jugendliche bis zur zehnten Klasse richtet. David Hanke sagt, es sei wichtig, den Zuhörern „ein Assoziations- und Inspirationsfeld“ zu ermöglichen. Was er damit meint, zeigt das Konzert am Königsbacher Gymnasium eindrucksvoll: Auf die Vorstellung der Instrumente folgt eine kurzweilige Zeitreise, vorbei an den Knochenflöten der Neandertaler, an den gregorianischen Gesängen des Mittelalters und den kunstvoll verzierten Klanggemälden des Barock, die die beweglich agierenden Musiker farbenreich und dynamisch interpretieren. Mit präzisem Tastenanschlag zeigt Jonathan Hanke den Schülern am Klavier, was Mozart schon alles komponiert hat, als er in ihrem Alter war. Zart entfaltet das Quartett die schwerelos schwebende, melancholisch anmutende Melodie, mit der Camille Saint-Saëns in seinem „Karneval der Tiere“ den Schwan charakterisiert hat.
Ein schöner Kontrast dazu: die von Dissonanzen, stürmischen Rhythmen und Experimentierfreude geprägte Neue Musik, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden ist und so klingt, als würde man an einem heißen Sommertag eine lästige Fliege jagen. Ein Bild, das sich die Kinder gut vorstellen können. Um Konventionen scheren sich die Hanke Brothers nicht. Ihnen ist es wichtig, dass die Kinder Spaß haben, dass sie Interesse an klassischer Musik entwickeln. Deswegen ziehen sie Perücken auf, kleben sich Bärte an und ermutigen die jungen Zuhörer zum Mitmachen: zum Trampeln, zum Singen, zum Klatschen. Dass es zwischendurch in der Aula ein bisschen laut wird, stört die Musiker nicht. Zumal sie einen genialen Trick kennen, um die Aufmerksamkeit der Kinder wiederzugewinnen: ein kurzes Lied, das alle gemeinsam singen, wenn es auf der Zeitreise von einer Epoche zur nächsten geht. Klar, dass ihnen tosender Beifall sicher ist. – Nico Roller