Langeweile unerwünscht

Photo: Nico Roller

Konzentriert gehen die Schüler eine Szene nach der anderen durch, üben ihre Texte und ihre Einsätze. Jessica Bogs beobachtet das Ganze vom Zuschauerraum aus, hilft bei kleineren Unsicherheiten und gibt den jungen Schauspielern Tipps, wie sie noch besser werden können. Die Lehrerin leitet am Königsbacher Lise-Meitner-Gymnasium die nach vielen Jahren wiederbelebte Mittel- und Oberstufen-Theater-Arbeitsgemeinschaft, die sich aktuell intensiv auf ihren ersten Auftritt vorbereitet. Am Freitag, 25. November, werden die Schüler ab 18.30 Uhr (Einlass 18 Uhr) in der Aula ein selbstgeschriebenes Stück zur Aufführung bringen, in dem es um Liebe, um die Suche nach Identität, um die Pubertät und um Rollenbilder geht. „Ich merke, dass die Schüler total in ihren Rollen aufgehen und aus sich herauskommen“, sagt Bogs, der es wichtig war, dass es neben der Unterstufen-Theater-AG nun auch wieder ein Angebot für ältere Schüler gibt. Sie hat in Literaturwissenschaft promoviert, an der Universität Heidelberg schon einige Stücke inszeniert und im Oktober vorigen Jahres angefangen, mit den Schülern zu arbeiten.

Zuerst ging es um die Grundlagen, dann mit Hilfe von Improvisation und kreativem Schreiben um die Entwicklung des Stücks. „Wir haben uns da immer mehr rangetastet“, sagt Bogs. Ihr war es wichtig, dass es um Themen geht, die die Schüler beschäftigen und anschließend als Basis dienen können, um einen klassischen Stoff neu zu interpretieren. Die Wahl fiel auf Shakespeares „Romeo und Julia“, aus dem Bogs zusammen mit den Schülern ein Stück machte, das auf mehreren Ebenen spielt und im Sinne von Brechts epischem Theater seine eigene Konstruiertheit verdeutlicht: Nach einem klassischen Beginn im viktorianischen Zeitalter mit altertümlich-gestelzter Sprache, folgt der Bruch: Ein Herr K. tritt auf und beschwert sich über die Langeweile, die diese Art der Darstellung verursache. Sofort greifen die Darsteller seine Tipps auf, gestalten ihr Spiel moderner und ansprechender. Etwa, indem sie in Jugendsprache reden, indem sie das Duell zwischen Mercutio und Tybald im Disco-Stil der 70er-Jahre tanzen, indem sie Julia in der Balkon-Szene als unbewegliche Puppe darstellen, die immer nur „Ach“ sagt. Unverkennbar eine Anspielung auf Hoffmanns „Sandmann“ und die schöne Olympia, aber gleichzeitig auch eine Kritik an Gesellschaften, die die Frau immer noch als Sache wahrnehmen.

Immer wieder arbeiten die Schauspieler mit Filmen, Lichteffekten und Livemusik. Neben den sieben Darstellern sind mehrere Musiker, eine Sängerin, die Streicher des Schulorchesters und die Technik-AG beteiligt: insgesamt mehr als 20 Jugendliche. „Wir wollen das Theater öffnen und es zu einer festen Veranstaltung machen, die immer im Herbst stattfindet“, sagt Bogs und spricht von einem „Gemeinschaftsprojekt mit Außenwirkung“. Sie will, dass sich die Schüler ausprobieren können, dass ihnen die wöchentlichen Proben Spaß machen. Und hat damit Erfolg: „Ich finde, dass wir in der Gruppe eine sehr gute Dynamik haben“, sagt Marla, die die Julia spielt und schon Theater-Erfahrung hat, etwa durch die Musicals des Steiner CVJM und die Unterstufen-Theater-AG. Zu schauspielern, ist für die 15-Jährige eine gute Möglichkeit, den Alltag für ein paar Stunden zu vergessen. Auch Luisa (15) ist von Theater und Musicals begeistert, erst recht seit der Corona-Zeit. Da traf es sich gut, dass Bogs voriges Schuljahr von Klasse zu Klasse ging, um für die neue AG zu werben. „Da habe ich mich sofort gemeldet.“ Franz ist dagegen erst später dazugestoßen. Eine Mitschülerin überredete den 15-Jährigen, sie zu einer Probe zu begleiten. Zuerst wollte er nur einmal schauen. Doch dann gefiel es ihm so gut, dass er dabeiblieb. Auch, weil die Proben „sehr entspannt“ ablaufen: „Wir haben uns ziemlich kreativ ausgelebt und oft spontane Einfälle ins Stück integriert.“ – Nico Roller