Auch wenn dieses Jahr alles etwas anders gelaufen ist als sonst, auch wenn die Schulen wochenlang geschlossen waren und die Abiturprüfungen zeitlich deutlich nach hinten verschoben werden mussten: Über ihren Schulabschluss freuen sich die Abiturienten des Königsbacher Lise-Meitner-Gymnasiums riesig, machen das Beste aus der Situation und nehmen sie mit Humor: „Immerhin können wir unseren Kindern sagen, dass wir bei einem potenziellen dritten Weltkrieg und einem sich immer weiter ausbreitenden tödlichen Virus zur Schule gegangen sind“, sagt Enzo Termini, als am Donnerstagabend in feierlichem Rahmen die Zeugnisse und Preise überreicht werden. Obwohl eine richtige Abigala mit Band, Sketchen, Tänzen und Lehrerspielen dieses Jahr nicht erlaubt ist, kommt die Corona-Krise nur am Rande vor, als Enzo Termini und Johann Lamprecht die Rede für die Abiturienten halten. Stattdessen blicken sie zurück auf die gemeinsam verbrachte Schulzeit, auf Landschulheime, auf einen Auftritt im Tigerentenclub, auf Liebesbriefe und Freundschaften. „Wir waren insgesamt länger als die Hälfte unseres Lebens in der Schule“, sagt Termini: „Sie sich jetzt wegzudenken, schmerzt beim einen oder anderen vielleicht.“
Nun seien sie keine Kinder mehr. „In der Schule bekamen wir die Möglichkeit, unsere Persönlichkeiten zu entfalten, uns geistig weiterzuentwickeln, den Reifeprozess abzuschließen.“ Lamprecht dankt Lehrern, Eltern, Verwandten und Freunden. Er schaut in die Zukunft, blickt auf das, was kommt: Ausbildung, Studium, Arbeiten oder erst einmal Entspannen. „Die Welt liegt uns zu Füßen, wir können tun, was wir wollen – wenn man Aspekte wie gesellschaftliche Verpflichtungen, den Numerus clausus und Schamgefühl einmal beiseitelässt.“ Seine Mitschüler bittet er um einen Gefallen: „Wenn wir uns auf unserem ersten Abi-Treffen wiedersehen, dann habt ein paar spannende, peinliche und lustige Geschichten zu erzählen.“ Auch Hartmut Westje-Bachmann wünscht den Abiturienten alles Gute: „Wir lassen Euch jetzt gehen, wir werden Euch nicht mehr mit Klausuren, Hausaufgaben, Ermahnungen oder anderem ärgern. Jetzt seid Ihr dran, selbst für Euch zu sorgen, eigene Entscheidungen zu treffen, Schwerpunkte dort zu legen, wo Ihr es wollt.“
Der Direktor gibt ihnen ein paar Gedanken mit auf den Weg und erklärt ihnen Antoine de Saint-Exupérys „Kunst der kleinen Schritte“: In einer Krise stünden die Macher im Vordergrund. „Aber auf lange Sicht sehe ich nur in kleinen Schritten einen Weg zum Ziel und bin kein Freund von den oft beschworenen einfachen Lösungen.“ Es sei einfach, den Klimawandel als Unsinn abzutun, aber notwendig, ihn weiter zu bekämpfen. „Wir alle müssen jetzt kleine Schritte in diese Richtung machen, weil sonst die notwendigen Schritte in der Zukunft immer größer werden“, sagt Westje-Bachmann und macht den Abiturienten Mut, sich für Demokratie einzusetzen: „Habt keine Angst um die Demokratie, sondern verbreitet das Positive der Demokratie, werbt für die Kunst der kleinen Schritte in einer Demokratie und bleibt selber auch demokratisch in dem Sinne, dass Ihr auf die Wahrheiten hört, die Ihr gesagt bekommt.“ – Nico Roller